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Ist Functional Training wirklich funktioneller?

Functional Training. Wie funktionell ist diese Trainingsform wirklich?

Immer wieder wird behaupt, dass Functional Training als Trainingsform funktioneller sei als andere Trainingsformen. Manchmal geht es sogar soweit, dass behaupt wird andere Trainingsform seien gar nicht funktionell. Begründet werden diese Aussagen oftmals dadurch, dass es gleichzeitig mehrere Muskeln oder Muskelgruppen aktiv seien und das Zusammenspiel trainiert wird. Angeblich sei der Nutzen beim Functional Training für den Alltag höher denn die Übungen seien schliesslich von aussen gesehen näher an der Bewegung des Alltags.

Wenn diese Aussagen über Functional Training kritisch betrachtet werden, müssen die Aussagen in Frage gestellt werden.

Functional Training vs. Muskelfunktion

Die Hauptfunktion des Skelettmuskels ist es, Kraft zu produzieren. Wird beim Training also durch einen Muskel Kraft produziert, ist dies bereits funktionell. Wenn wir als Beispiel den Bizeps brachii Muskel nehmen so hat dieser 3 Funktionen. Der Musculus biceps brachii ist für die Flexion (Beugung des Unterarms) im Ellenbogengelenk verantwortlich. Darüber hinaus ist er bei rechtwinkligem Ellbogen der stärkste Supinator (Auswärtsdrehung der Hand). Bei Kontraktion beider Köpfe resultiert eine Anteversion (Anheben des Arms nach vorne) des Arms. Somit ist jede dieser Bewegungen funktoniell, denn es ist ein Funktion dieses Muskels. Möchten Sie nun Ihren Bizeps trainieren so sollten sie diese Funktionen einzeln trainieren und den Muskel in seinen Funktionen schwächen.

Wenn Sie beim Functional Training eine Trainingsübung ausführen, so werden sie diese Übung solange durchführen können, bis der schwächste Muskel komplett erschöpft ist. Welcher dieser Muskel ist, kann manchmal durch die koordinativ anspruchsvollen Übungen nicht vorhergesagt werden. Sie wissen also nicht, welche Anpassung Sie erwarten können.

Functional Training und das Zentralnervensystem

Das Zentralnervensystem entscheidet sich zu Beginn der Übung anscheinend ob es sich um eine Kraft- oder Positionsaufgabe handelt (Rudroff et al 2011). Bei einer Positionsaufgabe ermüden die Muskeln schneller im Vergleich zu einer Kraftaufgabe bei gleichem Trainingswiderstand. Daher ist der Reiz auf die eingesetzte Muskulatur kleiner. Wollen Sie also Ihre Muskelmasse steigern, so ist das Functional Training nicht die erste Wahl.

Functional Training kann Sinn machen, wenn Sie das Zusammespiel der Muskeln trainieren wollen. Wichtig ist jedoch dabei zu wissen, dass neuronale Anpassung eher bewegungsspezifisch sind. Sie werden also lernen genau diese Übung „besser“ bzw. ökonomischer auszuführen. Sie können die Anpassung der Übung daher nicht einfach auf andere Bewegungen übertragen. Dies hat mit der funktionsabhängigen Rekrutierung Motorischer Einheiten zu tun. Wenn Sie möglichst viele verschiedene Bewegung erlernen möchte, empfehlen wir Ihnen eine Sportart zu betreiben welche dies gewährleistet (Fussball, Basketball, Hockey, Boxen etc.). Ein weitere Möglichkeit vielfältige Bewegungen zu erlernen sind Group Fitness Lektionen wie P.I.I.T, Kick Power, Fitboxe oder Zumba.

Functional Taining ist also für den Muskelaufbau nicht wirklich geeignet. Dafür sollten Sie keine koordinativ anspruchsvolle Übungen wählen. Konzentrieren Sie sich dabei auf den zu trainierenden Muskel und erschöpfen Sie diesen möglichst stark.

Quelle: Rudroff T, Justice JN, Holmes MR, Matthews SD, Enoka RM (2011) Muscle activity and time to task failure differ with load compliance and target force for elbow flexor muscles. J Appl Physiol 110:126–136

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Muskelkater – es lohnt sich zu leiden

Muskelkater wird als Muskelschmerz wahrgenommen.

Als Muskelkater versteht man das Gefühl von Muskelschmerz, der sich sich nach einer ungewohnten Muskelbeanspruchung bemerkbar macht. Dieser Schmerz tritt jeweils ca. 24 bis 48 Stunden nach der Belastung ein und verschwindet in der Regel nach ca. 4 Tagen wieder. Man spürt den Schmerz also nicht unmittelbar nach der Belastung. Die Reparaturprozesse der Muskulatur können jedoch in diesem Fall über mehrere Wochen dauern. Muskelkater bedeutet, dass der Muskel kleinste Mikroverletzungen (Mikrotraumata) aufweist. Dabei ist die Z-Scheibe im Sarkomer eingerissen.

Obwohl es oft erzählt wird, hat Muskelkater nichts mit einer Laktatanhäufung im Muskel zu tun. Die oben erwähnten Mikroverletzungen entstehen, wenn die Muskelfasern bei ungewohnt grosser Muskellänge Kraft produzieren. Beispielsweise, wenn du beim Wandern steil bergab gehst.

Muskelkater durch Dehnen verhindern?

Viele Trainierende versuchen vor oder nach dem Krafttraining durch Dehnungsübungen die Entstehung von Muskelkater zu verhindern. Dies wird dich leider nicht zum Ziel führen. Wie oben erwähnt, handelt es sich um Mikroverletzungen. Durch auseinanderziehen der Muskelfasern wirst du den Muskelkater nicht reduzieren oder verhindern können.

Muskelkater – gut oder böse?

Die Schmerzen der Mikroläsionen verschwinden in der Regel nach ca.
4 Tagen wieder. Daher musst du dir bei Muskelkater keine Sorgen machen, im Gegenteil. Muskelkater führt unter anderem zur Anpassung der Muskelfaserlänge. Dein Muskel wird Sarkomere in Serie addieren, um sich vor solchen Mikroverletzungen zu schützen.

Kommt es zu Mikroverletzungen in den Muskelfasern, so werden die Satellitenzellen aktiviert. Satellitenzellen sind Muskelstammzellen, welche eine wichtige Rolle beim Muskelaufbau spielen. Diese beginnen sich durch Zellteilung zu vermehren und bilden neue Zellkerne, welche in die bestehenden Muskelfasern eingebaut werden können. Eine grössere Anzahl an Zellkernen ist für das Muskelwachstum positiv – schliesslich liegt im Zellkern verpackt in der DNA (Desoxyribonukleinsäure) der Bauplan für neues Muskelprotein.

Willst du wissen, wie der biologische Prozess des Muskelaufbaus funktioniert? Dann klicke hier.

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Sind tiefe Kniebeugen schädlich?

Oft hört man von selbsternannten Experten, dass Kniebeugen mit einem Winkel unter 90 Grad zwischen den Schienbeinen und Oberschenkeln schädlich sind. Stimmt das wirklich?

Schon 1961 wurden erste Arbeiten ( z. B. „The deep squats exercise as utilized in weight training for athletes and its effects on the ligaments of the knee”) über die Theorie der „Tiefen Kniebeugen verfasst. In dieser Arbeit meinte Dr. Klein, dass Kniebeugen die Kniebänder lockere (vorallem Seiten- und Kreuzbänder). Er wurden Gewichtheber mit einer Kontrollgruppe verglichen.

Kaum zu glauben, den Kleinkinder und auch in vielen Völkern dieser Welt sitzen die Leute oft in der tiefen Hocke. In vielen afrikanischen Ländern kann man diese Form des Sitzens noch oft beobachten.

Bei leichten Kniebeugen sind die Bänder größeren Belastungen ausgesetzt und die auf die Bänder wirkende Kraft sinkt, sobald der 90-Grad-Winkel überwunden wird. (z. B. M. Sakane & colleagues, 1997; G. Li & colleagues 1999 and 2004; A. Kanamori & colleagues, 2000; K.L. Markolf & colleagues, 1996).

Eine Studie aus dem Jahr 2001 von R.F. Escamilla & Kollegen fand heraus, dass Gewichtheber (die jeweils tiefe Kniebeugen mit schweren Gewichten durchführten) stärkere Kniebänder haben, als die Kontrollgruppe.

Nun kommen wir zur Flexibilität im Knie- und Hüftgelenk. Die Flexibilität ist essentiell für die Vorbeugung von Verletzungen. Wenn aufgrund der Flexibilität die Kniebeuge nicht unter einem bestimmten Wert ausgeführt werden kann so besteht die Gefahr sich ernsthaft zu verletzten. Nehmen wir mal an ein Fussballer macht in seinem Krafttraining jeweils Kniebeugen nur bis zu einem Gelenkswinkl von ca. 100 Grad. Muss er jetzt bei einer Spielsituation einen Ausfallschritt machen bei dem sein Gelenk unter den Gelenkswinkel von 100 Grad kommt, wird die Verletzungsgefahr sehr gross sein, das er in diesem Winkel weniger Kraft produzieren als wenn er jeweils Kniebeugen über den vollen Kniewinkelradius gemacht hätte.

Dies durch den Effekt der Regulation der Anzahl Sarkomere in Serie. Durch die Anpassung der optimalen Sarkomerlänge, bei der der Muskel sein Maximum an Kraft produzieren kann. Wird ein Muskel wie bereits erwähnt in einem verkürzten Weg trainiert, so kommt es zu einer Verminderung der Sarkomerzahl. Die restlichen Sarkomere werden auf eine Länge eingestellt, die optimale Voraussetzungen für die Entwicklung von Maximalkraft in dem jetzt verkürzten Zustand bietet (Williams und Goldspink 1978).

Dies hat zur Folge, dass bei gegebener Muskellänge die durchschnittliche Sarkomerlänge kürzer ist. Training über den vollen Bewegungsumfang führt beim Menschen zu einer Verschiebung des optimalen Gelenkswinkels zur Erzeugung des maximalen Drehmoments. Der Kniewinkel, bei dem das maximale Drehmoment erzeugt werden kann, verschiebt sich demnach (Toigo 2006).

Anders gesagt wird das maximale Drehmoment nach Training bei längerer Muskellänge (bei Kniebeugen also in tieferer Hocke) erzeugt (unter der Annahme, dass die entsprechenden Muskeln länger sind). Bei einer sportlichen- oder Alltagsbeanspruchung kann ein Muskel dann immer über einen kürzeren Weg belastet werden.

Nach einer Verletzung sollte man seine Übungen damit beginnen, die Flexibilität der Gelenke zu erhöhen. Das ist auch der Grund, warum die meisten Physiotherapeuten den Patienten, die sich von einer Verletzung erholen, leichte Kniebeuge empfehlen.

Dass Personen welche regelmässig tiefe Kniebeugen machen stärkere Bänder haben, wurde in mehreren Studien bestätigt. Das ist eigentlich logisch: wenn tiefe Kniebeuge wirklich zu schwachen Bändern führen würden, würden z.B. Gewichtheber in ihrem Sport versagen (was ja offensichtlich nicht der Fall ist).

Fazit

Die Annahme, dass die Kniebeugen nur bis 90 Grad Beugung gehen sollen, hat rein traditionelle Hintergründe und ist daher falsch. Je kleiner der Winkel, desto grösser wird die Kniegelenksfläche, über welche die Kraft übertragen werden kann. Sofern der Trainierende keine orthopädischen Probleme (z.B. Rücken- oder Knieprobleme) aufweist und die Übung auch anatomisch korrekt ausführt, kann er die Kniebeugen über alle Winkel  durchführen.

Also los: ASS TO THE GRASS!